1999 Hachioji
Reisegedanken zur Orchesterreise nach Hachioji
26.08.-06.09.1999
(von Daisy Weber/Nestler)
Vorgeschichte
Am 17.06.1997 erreichte mich die Nachricht des Bundes Deutscher Liebhaberorchester e. V., dass Musiker aus Hachioji-Shi, einer Stadt im Umkreis von Tokio, ein gemeinsames Konzert mit einem Orchester aus Deutschland organisieren möchten. Die Kosten für Flug und Aufenthalt wollten die Japaner übernehmen. 1998 wolle eine Delegation kommen, um das entsprechende Orchester auszuwählen. Als ostdeutsches Orchester, welches sich gerade durch die Wende gerettet hatte, eine Herausforderung, aber Anreiz zugleich: Das ehemalige Arbeitersinfonieorchester Karl-Marx-Stadt fährt nach Tokio - vor Jahren völlig undenkbar und ins Reich der Träume verbannt. Sollten wir uns dieser Bewerbung stellen? Schließlich sandten wir Informations- und Werbematerial und das Bewerbungsschreiben - noch in unbeholfenem DDR-Englisch - zum BDLO, glaubten aber nicht an die Auswahl. Der Versuch allein war es wert - auf zu neuen Ufern! Schließlich kam die Nachricht, dass wir in die engere Auswahl gekommen sind - vielleicht hatte unser umfangreicher Bewerbungskarton dazu beigetragen. Die Delegation kündigte ihren Besuch an und traf am 10.10.97 auf dem Flughafen in Dresden ein. Weitere Orchester, wie die aus Nürnberg, Krefeld, Wuppertal und weitere, sollten danach ebenfalls besucht werden. Nun hieß es, uns von unserer besten Seite zu zeigen und zum nachhaltigen Erlebnis zu werden. Es ist müßig, alle Punkte aufzuzählen, aber hier einige Aktivitäten: Programm erarbeiten, Bus beschaffen - möglichst gesponsert, Dolmetscher besorgen, Empfang auf dem Flugplatz, Empfang und Führung mit dem Türmer im Rathaus organisieren , Probenraum im Opernhaus absichern, Führung in Augustusburg mit Brunnenhebe organisieren, Stadtführung in Dresden bestellen usw. Sollte die Investition in die ungewisse Zukunft gelingen?? Kaum fassbar, erhielten wir am 21.10.97 die Mitteilung, dass wir zum engeren Kreis der "Auserwählten" zählen und am 07.12.1997 den endgültigen Bescheid vom Sponsor, Herrn Michimasa Murauchi, erhalten könnten. Und dann kam die Einladung für eine Gastspielreise im August/September 1999 tatsächlich bei uns an. Ein Traum sollte Wirklichkeit werden!
Ab jetzt hieß es, neben dem Orchester- und Konzertbetrieb das Gastspiel vorzubereiten. 35 Mitglieder wurden von der japanischen Seite kostenfrei eingeladen. Mit Hilfe von Spenden- und Sponsoren gelang es uns, weitere 11 Mitglieder mitreisen lassen zu können - Voraussetzung: regelmäßiger Probenbesuch, notwendige Proben am Wochenende und üben, üben, üben, denn das Programm sollte sehr anspruchsvoll werden: 1. Sinfonie von Brahms, dazu die Egmont-Ouvertüre von Beethoven u.a. Das Japan-Fieber hatte uns erfasst. Ich organisierte eine Veranstaltung mit zwei Japanerinnen von der Goethe-Gesellschaft, damit sie uns über japanische Gepflogenheiten, Sitten und Gebräuche informieren. Jeder musste die wichtigsten 10 japanische Wörter erlernen und es wurde zum Spaß, sich gegenseitig die Vokabeln abzufragen. Außerdem wurden zahlreiche Gastgeschenke besorgt und jeder sollte ein paar Kleinigkeiten, zumeist aus dem erzgebirgischen Kunsthandwerk , mitnehmen, den kleine Geschenke gehören zum "guten Ton" dazu. Gut vorbereitet, waren wir nun auf unsere Reise gespannt und damit unsere außergewöhnliche Reise in der Freien Presse Erwähnung findet, nahmen wir Frau Rößler als Lokalredakteurin auf unsere Kosten mit - allerdings sollte sie jeden Tag einen kleinen Beitrag, der auch abgedruckt wird, schreiben. Auf diese Weise waren auch unsere Angehörigen informiert und die Stadt konnte Kenntnis von ihrem Amateurorchester nehmen (Nachtrag: Social Media oder Samartphones gab es zu dieser Zeit noch nicht).
Voran schon an dieser Stelle: Aus tiefsten Herzen Dank an unseren Sponsor, Herrn Michimasa Murauchi, an unsere kleine energische, alles in der Hand haltende Geschäftsführerin Fumiyo Tachikawa, an Maasaki Hirokane, Gründungsmitglied des Orchesters, Organisator des deutsch-japanischen Zusammentreffens und der deutschen Sprache mächtig und dem Mitorganisator, Herrn Takenaga sowie Herrn Nakenaga, der uns dann in der Mensa und in unserer Unterkunft, dem Seminarhaus-Gelände, verwöhnen sollte.
26./27.08.1999
Alle Koffer, Noten und Instrumente waren gut verstaut. Auf dem Flughafen in Dresden angekommen, schaute mancher auf dem Förderband seinem Instrument hinterher. Ob es wohl in Japan ankommen würde? In Frankfurt war Zwischenstopp und dann flogen wir über die eindrucksvolle Landschaft Sibiriens, Richtung Tokio. Der erste Eindruck war überraschend - der Flughafen übersichtlich, aber alles in japanischen Schriftzeichen ausgestattet. Alle suchten ihre Koffer und Instrumente zusammen und das Empfangskomittee führte die Orchesterkollegen zu den bereitstehenden Bussen. Nun ja, wie bei jeder Reise gibt es immer ein paar Überraschungen. Ein Orchestermitglied hatte bereits in Dresden Schwierigkeiten, weil es glaubte, dass der DDR-Pass ja noch ein Gültigkeitsdatum hätte. Ein Ersatzdokument sollte eigentlich die Reise garantieren, jedoch dachten die Behörden in Tokio anders. Also musste ich mit unserem japanischen Organisator, Herrn Hirokane in die Katakomben des Flughafengebäudes und der Polizei erklären, dass es sich nicht um eine illegale Einreise handelt. Zwei Stunden Diskussion, dann gelang es uns endlich, das Orchester vollständig wieder zu vereinen. Wir fuhren mit den Bussen durch Tokio und als ungelernter Weltbürger staunten wir über die Riesenhaftigkeit der Metropole. Abends kamen wir dann in unserer Unterkunft an, dem Internatsgelände der Universität. Die erschlagende Schwüle und das überlaute Sirren der Grillen begleiteten uns die ganze Nacht hindurch. Da half nur japanisches Bier, welches sehr lecker schmeckt. Beim Abendessen besuchte uns Herr Murauchi persönlich, um uns zu begrüßen. Deutsche und japanische Instrumentengruppen fanden sich zusammen und diskutierten mit verschiedensten Hilfsmitteln z. B. über die Striche der Streicher. Zum Glück sind Notation und Auf- sowie Abstrich oder die anderen intonistischen Anweisungen international.
28.08.1999
Heute nun fand die 1. Probe statt und abends der offizielle Empfang. Die nachmittags als Probenraum genutzte Halle des riesigen Murauchi-Möbelhauses war abends zum Festsaal herausgeputzt. Die Flaggen Japans und Deutschlands flankierten ein Spruchband: "Herzlich willkommen Sächsisches Sinfonieorchester Chemnitz". Leckere Köstlichkeiten bekannter und unbekannter Art waren aufgebaut und zur Untermalung lernten wir die japanische Harfe "Koto" kennen, die zwei in Kimonos gekleidete Japanerinnen spielten. Natürlich folgten Ansprachen und der Austausch von Gastgeschenken. Die Rede begann ich traditionell in der Landessprache - ob man was verstanden hat, weiß ich nicht, aber der Applaus gehörte uns. Nach dem 1. Glas Sake ging es besser mit den persönlichen Kontakten. Ad hoc fanden sich die Blechbläser zum gemeinsamen Spiel und wir sangen deutsche (!) Volkslieder. Wieder einmal bewahrheitete sich, dass die Japaner mehr Strophen beherrschen als wir. Das japanische Bier - man muss es einfach trinken ...
29.08.1999
Zum täglichen morgendlichen Meeting wurden die wichtigsten Informationen des Tages bekanntgegeben und vom Org-Team in die jeweilgen Instrumentengruppen weitergegeben. Wir bekamen extra für uns angefertigte T-Shirts geschenkt und fuhren mit dem Bus in die Innenstadt von Hachioji. Dort erwartete uns ein Mittagessen im Restaurant des Sponsors, Herrn Murauchi. Nun sollte sich in der anschließenden Probe zeigen, wie schwierig es ist, den unterschiedlichen Übungsstand und die verschiedenen musikalischen Auffassungen zu vereinen. J. Brahms 1. Sinfonie verlangte uns allen viel ab, ebenso die Hallen-Arie aus Wagners Tannhäuser und Beethovens Egmont-Ouvertüre. Zum Ausgleich wurden wir Gäste zu einem Sommerfest in Hachioji. Die schwüle Wärme und die kulturellen Unterschiede waren kein Thema mehr. Es wurde reichlich gegessen und getrunken und dann mischte sich die Gemeinschaft in frohen, fröhlichen Gesprächen. Das Eis war gebrochen - Musik vereint eben doch, trotz 900 km-Entfernung, unsere Völker. Wir konnten japanische Trommler und Musikgruppen bewundern. Unsere Blechbläser intonierten deutsche Volkslieder - wer die textsicheren Besucher waren, war nicht festzustellen. Typisch in japanischen Kimonos gekleidete Frauen animierten uns zum Mitmachen und so versuchten wir, die Schritte und Bewegungen nachzuahmen - zunächst etwas unbeholfen, aber mit jeder Menge Spaß gelang eine immer besser werdende Umsetzung. Erschöpft kamen wir in unserer Unterkunft, dem Seminarhaus, an. Das laute Zirpen der Grillen konnte uns nicht mehr stören. (Sprachübersetzer gab es zu dieser Zeit noch nicht)
30.08.1999
Heute war zunächst der Besuch eines japanischen Puppentheaters angesagt. Unterwegs lernten wir ein bisschen die bezaubernde japanische Landschaft kennen. Am Eingang Schuhe ausziehen, haben wir mittlerweile gelernt, und ebenso das Knien auf Kissen. Auf der Bühne erwachten zwei japanische Götter tanzend zum "Leben" und das traditionelle, beeindruckende japanische Puppenspiel begann. Im Anschluss erfuhren wir interessante Dinge zum Puppenspiel und dem Bau der Puppen. Entsprechend der japanischen Kultur gab es zum Abschluss kleine erzgebirgische Geschenke und eine Dankesrede meinerseits. Mittagessen bei Herrn Murauchi, der Besuch seines Musikgeschäftes in seinem Kaufhaus mit interessanten elektronischen, für uns unbekannten Instrumenten, die wir auch ausprobieren dürfen, folgten. Dann ging es zurück zur Unterkunft. Viele Kollegen übten die schweren Stellen des Konzertprogramms - Herr Behrend, Herr Takenaga, als Vertreter des japanischen Orchesters, meine Dolmetscherin Nahoko und ich debattierten noch bis in die tiefe Nacht hinein, um eine zusätzliche Probe organisieren zu können. Auf diese Weise lernte ich die japanische Debattenkultur kennen: Ja ist eben nicht Ja - zum Schluss konnten wir trotz allem eine freiwillige Probe am nächsten Tag erreichen, und: Alle sind gekommen. Freiwilligkeit führte zu Pflichtbewusstsein, manchmal. Ich versuchte, in der Heimat die Familie zu erreichen - kein leichtes Unterfangen - wir mussten noch einen Telefonautomaten mit Münzeinwurf nutzen und natürlich die Zeitverschiebung beachten. (Nachsatz in 2024: Wir kannten weder Smartphone noch Whats App)
Erbaulich auch für uns die stete japanische Gastfreundschaft. Viele ehrenamtliche Helfer standen uns zur Seite, stets bemüht, nach unseren Wünschen zu fragen. Jedermann wurde "Gute Gesundheit" gewünscht, deutsche Speisen wurden versucht zu kochen, überall Werbung zum gemeinsamen Freundschafts-Konzert. Freundschaft stand an 1. Stelle - die künstlerische Qualität musste erkämpft werden. Der Chef persönlich, Herr Murauchi, wachte darüber, dass alles zur Zufriedenheit klappt. Vor der Abfahrt gingen wir durch ein Spalier der japanischen Gastgeber, die Fähnchen schwingend uns verabschiedeten. "Domo arigato" und eine tiefe, ehrfurchtsvolle Verbeugung hatten wir uns aus tiefstem Herzen angeeignet.
31.08.1999
Heute stand der offizielle Empfang beim Oberbürgermeister von Hachioji, Herrn Shigao Hatano, nach protokollarischer Etikette auf dem Programm. Für viele eine neue und feierliche Erfahrung! Der Bürgermeister glänzte in seiner Rede mit Kenntnissen über die Stadt Chemnitz und Deutschland und betonte, dass er sehr an einem menschlichen und wirtschaftlichen Miteinander interessiert sei. Ich versuchte, in meiner Rede unserem herzlichen und großen Dank Ausdruck zu verleihen - wenige einleitende Sätze in japanischer Sprache hatte ich inzwischen eingeübt. Selbstverständlich wurden Gastgeschenke aus der jeweiligen Heimat ausgetauscht. Eine Schale grüner Tee beschloss die Zeremonie. Zum Mittagessen gab es ein japanisches Menü mit Stäbchen. Das traditionelle Sitzen und den Gebrauch der Stäbchen fühlte sich jetzt schon langsam professionell an. Nun stand Takao-San auf dem Programm: ein von Mönchen betriebener Tempel. In 600 m Höhe, versteckt in einem Laubwald mit prächtigen Bäumen und erreichbar mittels Seilbahn. Die Buddha-Stätte wird jährlich von 3 Mill. Menschen besucht. Wir wurden in die Zeremonie einbezogen, Unglück solle abgewehrt werden und ein erfolgreiches Konzert in Erfüllung gehen. Kräftige Trommel-Schläge, Mönchsgesang und -gebete, die uns gewidmet waren, ergriffen uns ehrfurchtsvoll. Anschließend wurden wir durch die Räumlichkeiten des Tempels geführt - typische Skulpturen und Bilder sowie der Lebensstil der Mönche erstaunten uns sehr. Reichlich eingedeckt mit Erfahrungen, aber auch Amuletten, Souvenirs und Erinnerungstücken verließen wir das Tempelgelände.
01.09.1999
Am Vormittag stand der Besuch von Yokhama, einer sehr alten und führenden Hafenstadt Japans an, gelegen in der Tokio-Bucht. Natürlich weckte auch China-Town unser Interesse: auffallend bunte Straßen, ein Gewimmel von Menschen, viele Restaurants. Für uns war ein großes mit Tatamimatten ausgelegtes Zimmer reserviert - vorher natürlich Schuhe ausziehen - lustig anzusehen, die Parade der deutschen Schuh-Galerie. An großen runden Drehtischen nahmen wir mit dem alltäglichen Fersensitz Platz und ließen uns mit leckeren japanischen Köstlichkeiten verwöhnen. In stets kleinen Gruppen durfte anschließend die Zeit für einen eigenen Bummel genutzt werden - bürokratisch hatte ich die Gruppen vorher zusammengestellt - nicht ohne Grund. Frau Tachikaea und ich waren immer in Sorge, ob die Truppe wieder vollständig zusammenkommt und niemand verloren geht. Die Fahrt durch den 12,7 km langen Unterwassertunnel führte uns zur Tokio-Bay-Basis - einer künstlich errichteten Insel in der Tokio-Bucht. Das gesamte Bauwerk ist eine technische Meisterleistung. Es blieb Zeit, um staunend sich beeindrucken zu lassen oder Besorgungen zu erledigen. Nach der Rückfahrt blieb noch Zeit für eine Teezeremonie mit einer Teemeisterin in einem alten Farmerhaus in Hachioji, die uns die Zeremonie erklärte. Überhaupt war es beeindruckend, wie örtlich nah Hochmoderne und traditionelle Bauweise nebeneinander liegen und wie innerlich stabil das Traditionelle mit dem Zeitgenössischen verflochten ist. Angekommen in den Quartieren übten wir die schwierigen Stellen des Konzertprogramms.
02.09.1999
Zuerst gab es ein "Happy Birthday" für unseren Bratscher, Michael Fischer, der in Japan seinen 51. Geburtstag feiern konnte. Heute stand "Day-stay" auf dem Programm, d.h., wir trafen uns mit japanischen Familien, auch im eigenen Heim. Die japanischen Familien hielten unterschiedliche Überraschungen bereit: einige besuchten das Rathaus von Tokio, andere fuhren zum höchsten Wolkenkratzer oder man ging durch Tokios Straßen und Plätze. Abends war dann ein japanisches Menü vorgesehen. Alle waren begeistert von den zahlreichen Eindrücken, die man so auf ganz persönliche Weise erhielt. Ich war mit einigen Vorstandsmitgliedern und unserer "Presseverantwortlichen", Frau Rößler, bei Masaaki Hirokane eingeladen - dem Ur-Initiator der Reise. Immer und immer wieder wurden zum Abendessen von Frau und Tochter japanische kleine Häppchen serviert, bis wirklich nichts mehr in die vollen Mägen passte. Auch erhielten wir einen Einblick in die doch sehr private Einrichtung des Hauses: Tatami-Fußbodenmatten überall, ein Schrein darf niemals fehlen, Schiebetüren mit feinem Papier dekoriert - alte japanische Tradition, wo hin man schaut. Für diesen tollen Tag bedankten wir uns mit sächsischen Mitbringseln, wie Erzgebirgskunst, Meißner Wein, Chemnitzer Bierhumpen u.a. Die Freude, uns kennengelernt zu haben, war spürbar in unsere Herzen eingedrungen.
03.09.1999
Heute sollte die Tour zum "Markenzeichen" Japans gehen: dem Fuji-San (2776 m hoch). Geboren aus einem Vulkan, dessen Kegel fast völlig symmetrisch in die Höhe ragt und das Land zu bewachen scheint. Leider war es regnerisch, kalt und neblig. Der Nationalpark blieb im verschwommenen Blick. Trotzdem ein unvergessliches Erlebnis. Ein kleiner bizarrer Vulkanstein würde später bei mir auf dem Küchenfensterbrett liegen und Sehnsüchte wecken. Auf der Rückfahrt gab es einen Zwischenaufenthalt im Itchiku Kubota Art Museum, in dem wir 400 Jahre alte Kimonos und eine erstaunliche Architektur des Gebäudes bewundern durften.
04.09.1999
Heute erwartete uns ein harter Probentag. Das Konzert stand kurz bevor, und es wurden noch einige musikalische Schwachstellen behoben. Beide Dirigenten probten mit den Stimmgruppen einzeln und dann gemeinsam. Die zwei Stunden Freizeit wurden genutzt, um z. B. ein paar letzte, kleine Einkäufe im Kaufhaus zu tätigen. Schlussendlich wurden beide Orchester gut vereint - natürlich kann es immer noch besser werden - doch das ist schon seit langem unser Orchester-Gen, im entscheidenden Konzertmoment mit entsprechendem Adrenalin und auf der Stuhlkante sitzend, die Leistung noch einmal stark zu heben. Abends gab es im Seminarhaus "wildes Stimmengewirr", zahlreiche Gespräche und viel Bier. Nach dem Rundgesang "Laurenzia" hieß es aber schon mal Koffer packen. Das Ende der Reise nahte. Leider.
05.09.1999
Die Generalprobe konnte auf 9 Uhr vorverlegt werden - inzwischen kannte auch der japanische Vorstand den deutschen, manchmal überbordenden Ehrgeiz. 14 Uhr war dann Konzertbeginn - die Konzerthalle war mit ca. 2000 Besuchern ausverkauft (!). Die Orchester hatten sich "durchmischt" - ein echtes deutsch-japanisches Orchester. Beide Nationalhymnen zu Beginn gehören zum Standard, dann folgten Beethovens Egmont-Ouvertüre, das "Ave Maria" von Schubert mit einer exzellenten Sopranistin, die Hallenarie aus Wagners Tannhäuser und ein Potpourri aus japanischen Volksliedern für großen Chor und Orchester. Nach der Pause standen dann Brahms 1. Sinfonie c-Moll auf dem Programm. Nach japanischer Art gabs große Blumensträuße und eine "Foto-Session" zum Abschluss, nachdem unsere Zugabe "Radetzky-Marsch" verklungen war - und auch den tosenden Applaus. Nach einem fantastischen Essen, dem Austausch von Adressen und Geschenken wurde es uns immer bewusster, dass es hieß langsam Abschied zu nehmen.
06.09.1999
4.30 Uhr standen die Busse zur Abfahrt bereit - in aller Frühe ging es zum Flughafen. Einige Abschiedstränen rollten. Ich war froh, als dann alle Mitreisenden gesund an Bord waren nebst Koffern und Instrumenten. Nach dem Umstieg in Osaka wurde es dann zunehmend stiller - die Übermüdungserscheinungen nahmen sich ihren Raum. Das Wetter war prächtig - wer nicht eingeschlafen war, hatte eine prächtige Sicht zunächst über die Weiten Sibiriens, der Tundra, und wir konnten die Ob-Mündung zuordnen. Im Überflug über Finnland und Schweden waren Sonnenuntergang und Mondaufgang wunderbar romantisierend - nein, die Erde ist eben doch keine Scheibe. Von Frankfurt ging es nach Dresden, wo uns die Fa. Voit mit Bussen abholte. Taxis für Bedürftige organisierte ich schnell noch im Bus. Ca. 20 Uhr waren wir in Chemnitz. Mit einem riesigen Schlafdefizit waren wir voller Eindrücke von einem Land, welches 9000 km entfernt ist, von einer völlig anderen Kultur, von geschlossenen Freundschaften und der Erinnerung an ein unvergessliches Konzert. Man wollte unbedingt in Kontakt bleiben - die Japaner haben alle eine E-Mail-Adresse - wir hinkten da hinterher. Noch unterwegs beriet der Vorstand, wie wir es ohne Mäzen schaffen könnten, eine Rückeinladung auszusprechen.
Alles in allem: Domo arigato und tiefe Verbeugung vor der Großherzigkeit der Gastgeber.