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22.07.2006

2006 Frankreich

(von Daisy Nestler)


Frankreich, 22.07-28.07.2006

22.07.2006: Wieder steht eine Gastspielreise ins Ausland auf dem Programm. Diesmal geht’s nach Südfrankreich. Spannend, ob sich die lange Organisationszeit im Vorfeld gelohnt hat, ob alles reibungslos abläuft, alle gesund wieder nach Hause kommen und ob die Konzerte gut besucht sein werden – nicht zuletzt wollen wir französisches Flair genießen. Heute nun treffen wir uns am Parkplatz der Stadthalle. Es gibt viel zu verstauen. Da wir das Bunsunternehmen des Veranstalters „Musik-Reisen-Faszination“ benutzen und nicht unser lieb gewonnenes Reiseunternehmen Voit-Reisen, müssen die Platzräume neu gedacht werden. Die „Chefin“ ist etwas sauer – der Anhänger hat keine Klimaanlage und wir fahren doch dahin, wo es sehr warm ist. Na hoffentlich sind die Instrumente noch Instrumente, wenn wir ankommen. Zunächst fahren wir in die falsche Richtung – dies ist aber schnell korrigierbar und auf geht’s zur Zwischenübernachtung nach Gernsbach an der Murg in Baden-Baden. Trotz 550 km ist die „Truppe“ gut gelaunt. Unterwegs gibt es sogar Reise- und Landeshinweise. Das Hotel „Sonnenhof“ ist idyllisch gelegen. Schnell sind auch die Zimmer verteilt und sich auftuende Fehler bei der Übertragung der Zimmerkapazität behoben. Nach einem deftig-herzhaften Abendbrot proben wir schon mal auf der sonnenüberfluteten Terrasse, und einigen Soloeinlagen besonderer Enthusiasten sind zu hören.

23.07.2006: Ausgeschlafen und nach reichlichem Frühstück werden alle Instrumente verstaut – diesmal wissen wir schon, wie es geht, um Schäden bestmöglichst zu vermeiden. Mit einem sehr schweigsamen Reisebegleiter begeben wir uns Richtung Nizza über Mulhouse, Valence, Marseille. Einzelne frankreichkundige Musiker übernehmen kurzerhand Erläuterungen, historische Details und Episoden zur französischen Umgebung werden dargeboten. Der Süden naht – man kann es schon beim Blick aus dem Fenster erkennen. Bei Außentemperaturen von 40 °C sind wir froh, im Bus zu sitzen oder in den Pausen die geschlossenen Räume aufsuchen zu können. Ich mache mir große Sorgen über unsere älteren Mitfahren ob ihrer Gesundheit und über die „schwitzenden“ Instrumente im Hänger. Nach 11 h Fahrt erreichen wir endlich Nizza, aber das vereinbarte Hotel wird nicht gefunden. Der Busfahrer uns sein Begleiter erscheinen uns doch sehr orientierungslos. Per Telefon wird mir dann mitgeteilt, dass für uns ein anderes Hotel vorgesehen sei. Leider durch Brücken und Baustellen nicht erreichbar und so beginnt das große Schleppen der Koffer und Instrumente, denn diese dürfen bei den Temperaturen keinesfalls im Bus verbleiben. Man möge sich mal vorstellen, was es bedeutet, einen Bass, Koffer, Notenständer und sich selbst bei diesen Temperaturen bis zum Hotel zu schleppen. Nicht jeder kann Piccolo-Flöte spielen – gerade mal eine ist das im Orchester. Alle packen mit an – dass ist es, was mich an unserem Verein begeistert. Während die Mitfahrer etwas zu Essen in der Innenstadt suchen und Nizza bei Nacht erleben, kann ich die Zimmerlisten in den Papierkorb werfen und mühe mich, eine einvernehmliche Lösung der Zimmeraufteilung zu bewirken. Spät in der Nacht liegen dann alle in ihren Betten, wohl doch etwas erschöpft.

24.07.2006: Heute steht ein Besuch in Marseille an. Nachdem wir im Hotel ausgiebig gefrühstückt haben und alle wieder im Bus sind, samt Instrumenten, Noten und Konzertkleidung. Marseille ist die zweitgrößte Stadt Frankreichs, turbulent und schmutzig. In zwei Stunden versuchen wir die Stadt etwas kennen zu lernen – jeder auf seine Weise. Erleichtert bin ich immer, wenn alle wieder komplett im Bus sitzen. Diesmal müssen wir nicht warten, denn die Hitze ist so unangenehm, dass die Kühlung im Bus gesucht wird. Durch die grünen Hügel des Luberon fahren wir zum Konzertort Lourmarin. Malerisch liegen das Dorf und die nahe Burg vor uns. Die Hitze auf dem Dorfplatz kann ich zum Üben nicht vertreten und wir „flüchten“ in den nahe gelegenen Saal. Abends kommt unser Klassikprogramm sehr gut an und wir staunen über die zahlreichen Besucher, die uns mit Applaus überhäufen. Wir beschließen den Abend mit einem Spaziergang in der lauen Sommernacht und lauschen den vielstimmigen Zirpen und atmen Blütenduft. Nun bekomme ich aber Ärger mit dem Reiseleiter, der einen Konflikt mit den Lenk- und Ruhezeiten sieht. Ich habe da auch meine Erfahrungen inzwischen, die Stimmung bei mir hat etwas gelitten, aber alles wird gut und wir landen zufrieden im Bett.

25.07.2006: Nach einem typisch französischen Frühstück haben wir zunächst freie Zeit. Die meisten gehen lieber an den Strand, um das Mittelmeer zu genießen und in der Hitze zu braten. Leider gabs bei mir auch einen Kleiderdiebstahl – man sollte eben besser aufpassen. Nach dem Mittag fahren wir zu unserem Tagesausflug nach Monacao. Für viele vor Jahren unvorstellbar und wir freuen uns darauf, mal mit eigenen Augen das Besondere zu erkunden. Unsere zwei Reiseleiterinnen informieren uns über berühmte Persönlichkeiten und ihr Schaffen in der Region, und wir erfahren viel Wissenswertes über Nizza und Monaco. Endlich etwas kulturelle Bildung, dazu noch die Fahrt entlang der Rennstrecke – einfach toll. Wir staunen nicht schlecht, wie auf dem kleinen Areal mit so vielen Menschen alles geregelt ist – der Bus steht in einem mehrstöckigen Parkhaus für Busse. Mittels der Stadt- bzw. "Staats"führung besuchen wir die wichtigsten Orte. Beeindruckt von der Vielfalt und Menge der präsenten und historischen Orte, geprägt zwar von unermesslichem Luxus, aber auch von einer Welt, die man kennengelernt haben sollte, verließen wir Monaco Richtung Cannes. Auf uns wartet ein Bergaufstieg bei tropischen Temperaturen zu einer Mönchszitadelle, da man von hier einen Überblick über die Stadt gewinnen kann. Vor dem Filmpalast war der rote Teppich für uns ausgerollt (natürlich nur ein Duplikat für die Touristen) – Zeit für ein gemeinsame Foto. Wir schauen uns noch die Handabdrücke diverser Berühmtheiten an – ja, es sind tatsächlich Menschen und keine Halbgötter. In Nizza zurückgekehrt, muss sich das Erlebte erst einmal innerlich setzen – bei jedem auf seine Weise – Stadtbummel, Strand oder Restaurant.

26.07.2006: Die Stadtbesichtigung mit einer sehr charmanten fachkundigen Französin lässt uns heute Nizza und Umgebung besser kennlernen. Das Kontrastprogramm zu unserem „Reiseleiter“. Der Blick von den Anhöhen der Stadt übers Mittelmeer, der üppig blühende Garten neben dem Franziskanerkloster sowie die historischen Gebäude Nizzas begeistern uns. Am Nachmittag heißt es für uns: Auf nach Tourette-Levens zum nächsten Konzert. Ob der „Reiseleiter“ wenigstens einen Transport für die schweren Instrumente für den 300 m langen Aufstieg organisiert hat? Für die Ermahnung, dass wir uns nach dem Konzert sofort zum Bus begeben sollen, hat er jedenfalls Zeit. Vorerst genießen wir jedoch die sehr serpentinenreiche Strecke und den Blick in die Seitentäler des Nizzaer Berge. Am Fuße des Bergschlosses von Tourette steht ein Traktor und mit vereinten Kräften und Humor wird der Hänger beladen; wir dürfen den Berge per Pedes erklimmen. Der eindrucksvolle Ausblick allerdings, beflügelte uns dann beim Einspielen. Die Sonne zeigt was sie kann, die Noten werden mit Wäscheklammern gesichert, der aufkommende Wind lässt Ungutes ahnen. Nach der Probe gibt’s ein umfangreiches und leckeres französisches Büfett und die ersten Regentropfen lassen uns den Rückzug ins Schloss antreten. Bis zum Konzert ist noch etwas Zeit und die Organisatoren des „Festival des Nuits musicales et culturelles du Chateau de la Tourette-Levens“ geben uns Hoffnung, dass die Wolken wieder aufreißen. Mit etwas Verspätung können wir unser Konzert „Du sollst der Kaiser meiner Seele sein“ beginnen. Besonders erinnerungswürdig sind unsere akrobatischen Fertigkeiten, die Noten und Notenständer auf ihrem Platz und gegen den frischen Wind die Stellung zu halten, natürlich neben dem Spielen. Jedoch: Das Publikum applaudiert euphorisch – wir werden wieder mal gefeiert und auch unseren Seelen tut das gut. Brav begeben wir uns dann auf den etwas rutschigen Rückweg, der Traktor bringt die großen Instrumente heil nach unten und der Bus fährt uns zum Hotel – hier sind dann dem individuellen Feiern keine (zeitlichen) Grenzen gesetzt.

27.07./28.07.2006: Leider müssen wir uns nun wieder auf die Rückkehr nach Deutschland begeben. Die Klimaanlage wird auf eine harte Probe gestellt. Wir fahren vorbei an Lyon. Jahre später werde ich dort zu einer Tagung weilen und so weiß man nie, wann es irgendwo, irgendwann ein Wiedersehen gibt. Zwischenübernachtung ist wieder in Gernsbach. Ich denke, es war eine erfolgreiche Konzertreise mir vielen unvergesslichen Eindrücken von Land und Leuten – manche Erschwernisse werde ich im Laufe der Zeit vergessen und ich bin, wie immer, froh, dass alle wohlbehalten in Chemnitz angekommen sind. Auch die Instrumente.