2019 Andalusien
(von Daisy Nestler)
Gastspielreisen, Andalusien 11.07.-18.07.2019
Vorspann:
Noch einmal wollte ich eine Auslandsreise für das Orchester organisieren. Diesmal sollte Andalusien an die Reihe kommen – das Land der Weltkulturerbestätten. In dem Reisebüro compact tours gmbh und Herrn Putscher als Betreuer fanden wir einen exzellenten Partner für die nicht ganz einfache Tour. Im Nachhinein können wir nur unser großes Dankeschön aussprechen! Wir mussten zuallererst an eine vollständige Spielbesetzung denken, ein eindrucksvolles Konzert- und Kulturprogramm planen, Flug- und Busreise organisieren und das Schwerste: Die Instrumente gut von A nach B bringen – man beachte: Flug, Bus, Unterkunft, hohe Temperaturen und Temperaturschwankungen. Diesmal konnten wir nicht mit Hilfen aus der Gastumgebung hoffen bzw. Leihinstrumente besorgen. So wurden schließlich die Pauken per LKW-Transport nach Andalusien gebracht, allerdings mussten die Bässe ins Sperrgepäck des Fliegers. Auf die Konzerte haben wir uns wochenlang gut vorbereitet und haben sogar im Probenraum der Industrieschule unseren hiesigen Zuhörern eine Kostprobe gegeben.
01.07.2019: Bereits 4 Uhr komme ich mit dem Taxi an der Industrieschule an – die anderen Orchestermitglieder haben mir offenbar ein späteres Taxi verwehrt, da alle Termine besetzt waren. Wohlgeordnet werden Gepäck und Instrumente in „unseren“ Bus von Wies Faszinator verstaut. Die Busfahrer wissen inzwischen, wie das alles bei uns organisiert werden muss. Einfach entspannend und eine tolle Zusammenarbeit! Ab 6 Uhr geht’s in Richtung Frankfurt. Unterwegs gratulieren wir noch Egmont Schulze (1. Geige) mit einem Ständchen zum Geburtstag. Angekommen in Frankfurt müssen wir noch eine kleine Wegstrecke mit dem gesamten Gepäck bis zum Terminal zurücklegen und warten am vereinbarten Ort auf die Musiker und Gäste, die mit uns auf Reisen gehen wollen. Mustergültig warten alle, bis ich das gemeinsame Einchecken organisiert habe, was dann recht fließend und zeitsparend von statten geht. Wir starten bei Regenwetter und kommen bei bestem Sonnenschein an. Von oben herab schauen wir schon mal auf die Pyrenäengipfel und die Umgebung von Malaga, wo wir uns “herumreiben“ werden. Unser ehemaliger Posaunist, der jetzt in Vancouver lebt, Torsten Lenk, stößt zu uns, denn er will uns unterstützen und mal wieder ehemaliges Vereinsflair genießen. Nach der Landung erwartet uns unsere Reiseführerin, eine durch und durch überzeugte deutsche Wahlandalusierin. Das kommt uns ausgesprochen bestens zugute, denn an den weiteren Tagen werden wir vieles aus ihrem Munde hören, was der „Durchschnittstourist“ nicht auf diese Weise erfahren wird. Schnell muss ich noch für die bereits vorbereitete Hotellisten alle Passnummern erfassen – auch in Spanien blüht die Bürokratie – dann geht’s mit dem Reisebus nordwärts ins ca. 50 km entfernte Antequera. Das Hotel entspricht den höchsten Erwartungen und für unsere Enthusiasten gibt es gleich ein Bad im hauseigenen Pool, bevor uns dann ein leckeres und üppiges Abendessen erwartet. Jeder Reiseorganisator weiß: Unterbringung und Essen sind für das Wohlfühlen von besonderer Wichtigkeit. Einige beschließen den anstrengenden Tag mit einem Abendspaziergang, um ein wenig die Stadt kennen zulernen.
12.07.2019: Das Frühstück trägt schon mal zur guten Laune bei: üppig, gemüse- und obstreich, für jeden in ausreichender Menge etwas dabei. Unsere erste Station soll Ronda sein, eines der ältesten Städte Spaniens überhaupt. Wir fahren durch ein einzigartiges Naturschutzgebiet und werden über das Brutgebiet der Flamingos informiert. Uns werden die spanischen Namen und Wörter erklärt und wir wissen nun auch, dass Hiuspania „Land der Kaninchen“ bedeutet. Ronda als früheres Schmuggler- und Räubernest hat eine urromantische Altstadt und eine spektakuläre Lage hoch auf einem Felsenplateau. Die Altstadt wird vom jüngeren Teil Rondas durch eine ca. 200 m tiefe Schlucht getrennt und durch 3 Brücken verbunden. Diese Bauwerke, insbesondere die gewaltige Puentsa Nuevo, sind äußerst beeindruckend und die Kameras der Handys klicken unaufhörlich. In geteilten Gruppen erhalten wir eine Stadtführung, betreten die romantischen Gassen und Plätze, besuchen historische Kirchen und lernen die Bauwerke verschiedenster Epochen kennen. In einer kurzen Freizeit versuchen wir die Stadt auf eigenen Wegen zu erkunden oder auch nur um etwas Essbares zu finden. Als nächster gemeinsamer Besichtigungspunkt wartet die älteste Stierkampfarena mit 5000 Plätzen auf uns. In historischen Gewändern werden auch in der heutigen Zeit Stierkämpfe durchgeführt. Ob der Grausamkeiten gibt es dann unter uns einen Diskurs mit unterschiedlichen Meinungen. Unter den Rängen befindet sich ein sehenswertes Museum u. a. mit der Verehrung berühmter Toreros. Wieder im Bus geht’s jetzt nach Sevilla, der Hauptstadt Andalusiens. Die Fahrt führt uns durch riesengroße Anlagen mit Olivenbäumen und Sonnenblumen - leider zum Teil eine starke Monokultur infolge der vormals abgeholzten Wälder für Schiffsbau und Brennmaterial. Wir nutzen den Bus gleich noch für eine kleine Stadtrundfahrt, um die wichtigsten Gebäude und Straßen kennen zulernen. Im Hotel angekommen, gibt es immer die, die etwas ausruhen oder die die Stadt „durchforsten“ oder den Pool aufsuchen, denn wir erleben unseren ganz eigenen Hitzerekord von 40 °C.
13.07.2019: Der Tag beginnt mit einem Geburtstagsständchen für Ovidiu Simbotin, unserem SSO-begeisterten Profi-Mitfahrer. Mit einem Gläschen Sekt am Morgen lässt sich der Tag gut an und wir können die Welterbestadt Sevilla erobern. Unsere Sevilla-Reiseleiterin erklärt uns als erstes den Plaza de Espania, der größte, schönste, aber auch teuerste Platz, der für die iberoamerikanische Ausstellung 1929 im Renaissance-Barock-Stil errichtet wurde. Nun endlich wird auch das Gruppenfoto initiiert – die große Treppe eignet sich bestens. In den Nischen des Rondells werden alle 48 Provinzen mit den Wappen dargestellt und an Begebenheiten der jeweiligen Provinz erinnert, dazu wurden alle in den typischen Keramik-Zement-Fliesen gestaltet. Zahlreiche Details auf dem Platz gibt es zu bestaunen – man könnte hier den ganzen Tag verbringen. In einer kurzen Unterbrechung sitzen wir entweder auf der Bank und staunen vor uns hin, oder man begibt sich auf Foto-schnell-klick-Tour. Der nächste Halt führt uns zum berühmten Kolumbus-Denkmal inmitten eines wunderschönen Parks mit exotischen Bäumen und Pflanzen. Von da geht es zum jüdischen Viertel Santa Cruz, wo das jüdische Volk seine friedlichste Zeit im 13. Jh. unter muslimischer Herrschaft erlebte (so was gibt es!), das ist schon nachdenkenswert. Das Straßenlabyrinth nimmt seinen Lauf und wir gelangen zur berühmten Kathedrale von Sevilla, wo wir eine Führung erhalten. Die ehemalige Moschee wurde im 12. Jh. gebaut und mit der Wiedereroberung der Stadt durch König Ferdinand II als Kathedrale geweiht. Die Moschee wurde erhalten und nicht zerstört (!). Im Innenhof warten wir geduldig, umgeben von typischen andalusischen Orangenbäumen, um dann den gewaltigen Bau auch von innen kennen zu lernen und das Grab von Kolumbus (1899) zu besuchen. Nach überwältigenden Eindrücken, auch beim Stadtrundgang, weiß man, man muss die Stadt noch mal besuchen, und das Gefühl macht sich breit: „Zwick mich mal – ich bin wirklich hier“. Wenigstens eine andalusische Fliese wird für zu Hause zur Erinnerung eingekauft. Nach dem Mittag heißt es dann fix zurecht machen, den 17 Uhr ist Generalprobe für das 1. Konzert in der Konzerthalle Calle Albert Einstein auf dem ehemaligen Expo-Gelände: Der Instrumententransport funktionierte vorzüglich – leider hat ein Bass gelitten und uns die Temperaturschwankungen mit einem großen Riss quittiert. Nach der Probe und dem guten Abendessen beginnt 21 Uhr das Konzert. Leider ereilt uns eine tiefe Enttäuschung: Nur weniger Besucher finden den Weg in die außerhalb liegende Halle. Das Konzert war zu schlecht beworben worden! Die anwesenden Gäste sind allerdings vom Programm begeistert. So müssen wir in der Hotelbar unseren Frust ertränken und auf ein Neues beim nächsten Konzert hoffen.
14.07.2019: Heute setzen wir unsere Reise Richtung Cordobra mit Zwischenstation in Carmona fort. Carmona thront auf einem Hügel im sonst flachen Land. ereignisreiche Historie, die uns immer wieder erstaunen lässt, erreicht uns auch hier – die Römer haben ihre Spuren hinterlassen und zu sehen sind zahlreiche Kirchen und kleine Klöster. In Santa Clara werden wir von einer Nonne (Franziskanerin) eingelassen, die uns über das Kloster und das Klosterleben bereitwillig erzählt. Wir lernen wieder vieles hinzu, z. B. über die Bedeutung der Palmwedel an den Balkonen (Schutz und Segen für das Haus erbittend in Anlehnung an das christliche Symbol für den Sieg des Lebens über den Tod und für den Glauben an die Auferstehung - sie sind ein Zeichen der Hoffnung und des spirituellen Schutzes) und die Pomeranzen (Symbol für Reinheit und Fruchtbarkeit in Anspielung an den Garten Eden und den Duft des Paradieses; Schutz gegen das Böse). Nach einer kleinen Siesta auf dem Marktplatz fährt uns der Bus in Richtung Cordoba. Wir sehen in der Ferne ein großes Solarwärmekraftwerk – hier ist die Nutzung der Sonnenenergie mehr als sinnvoll. Nach dem Einchecken erkunden wir einen der größten Altstadtkerne Spaniens. Auf engstem Raum kreuzen sich römische (Mauren), jüdische, muslimische und katholische Kultur. Nach dem Besuch des jüdischen Viertels mit seinen engen, labyrinthartigen Gässchen, den Souvenirlädchen und exotischen (Bau)denkmälern besuchen wir die Moschee. Einfach nur einzigartig – was soll man da schreiben. Vor uns steht ein Heiligtum 2er Religionen. Eine mystische Wirkung im „Wald“ der 793 Säulen, wo jede schon allein beeindruckt. Im 16. Jh. bauten dann die Christen eine Kathedrale inmitten der Moschee. Keine Zerstörung, nein, Erhalten von Kultur war damals angesagt. Man bekommt innere Fragen ... Staunen und Fotografieren, aber den bleibenden Eindruck kann man nur selbst erfahren, wenn man dieses grandiose Welterbe besucht.
15.07.2019: Nach dem Checkout geht’s zum Zwischenstopp nach Zuheros und dann nach Granada. Zuheros liegt im Naturpark der Gebirgsregion Sierras Subbeticas mit einer Burg aus der Zeit der Mauren und ist eines der schönsten „weißen“ Dörfer. Auf dem Sabikah-Hügel von Granada befindet sich die Alhanbra, die wir nach dem Hotel-Checkin in kleinen Gruppen besuchen. Auch hier erlebt man wieder die Mischung der verschiedenen historischen Einflüsse: Maurischer Stil + islamische Kunst. Schon allein das Kulturwelterbe Alhambra ist eine Reise wert: so viele architektonische Kostbarkeiten an einem Ort kann man wohl nirgendwo anders finden. Noch tief beeindruckt, nutzen wir nicht den Bus, sondern laufen zurück zum Hotel, wo uns eine Überraschung erwartet. Unser Wunsch eine echte Flamenco-Show zu erleben, wird erfüllt und los gehts nach dem Abendessen, Unvergessliches zu erleben.
16.07.2019: Heute stehen wir vor der Wahl der Qual: Entweder auf eigene Faust Granada erkunden oder mit dem Bus ins Gebirge, in die Alpujarra, fahren, um das Bergdorf Capaneira zu besuchen. Ich entscheide mich für die Busfahrt und bin begeistert. Nach der Weiterfahrt aus Capaneira gibt es die nächste Überraschung: nahe des Ortes Portugos erwartet uns eine Schinken-Trocknerei, die Secadero de Jamones. Während der Führung durch die Kammern erhalten wir Einblicke und Informationen über die Herstellung des typischen Serrano-Schinkens. Ca. 60 000 Schweinshaxen sind zum Trocknen aufgehängt (18 Monate Lagerung!). Ich passe nicht auf und rutsche auf dem fettigen Boden beim Fotografieren aus. Aua, wieder mal das Knie. Die Verkostung im Anschluss nebst preiswertem Wareneinkauf für zu Hause entschädigt. In Pampaneira, 1000 m üN, an der Schlucht des Rio Poqueira gelegen, endet der Gebirgsausflug. Terrassenförmig ziehen sich die weißen Häuser die Hänge hinauf. Wir wandern durch die engen, steilen Gassen. Man lebt von den Touristen und bietet Souvenirs aus dem Kunsthandwerk an. Es bleibt genügend Zeit zum Essen, Bummeln, Einkaufen. Abends folgt dann unser 2. Konzert, diesmal wesentlich besser beworben. Bei 40 °C Außentemperatur ist der Saal im Palacio de Congesos zum Glück klimatisiert, die Anspielprobe verläuft bestens. Der kaputte Bass funktioniert trotzdem - einigermaßen. Nach einem Abendessen im Restaurante Valenzuela beginnt das Konzert. Diesmal ist der Saal sehr gut besucht – da macht es gleich mehr Spaß zu musizieren und Zugaben sind fällig. Gegen Mitternacht fahren wir zum Hotel zurück. Immer noch haben wir 29 °C – da will man nicht ins Bett und mit dem „harte Kern“ gibt es eine kleine Nachfeier.
17.07.2019: Nach dem Frühstück fahren wir zunächst nach Nerja und besuchen die dortige Tropfsteinhöhle. Nun kenne ich schon einige Tropfsteinhöhlen in der Welt, aber diese ist außerordentlich lang zu begehen mit den unterschiedlichsten Stalagniten und Stalagtiten in den herrlichsten Farben, Formationen, Strukturen, Geometrien. Die Kamera kann dieses Schauspiel gut einfangen, jedoch ist eben ein dreidimensionaler Eindruck noch mal etwas ganz anderes. Es folgt der Besuch von Frigiliana, eines der schönsten Dörfer an der Küste. Unsere Reiseleiterin beugt sich unserer Anfrage und viele freuen sich, dass wir einen Zwischenstopp zum Baden im Mittelmeer einlegen. Einfach nur herrlich, diese kalte Erfrischung – andere sitzen lieber im Cafe. Angekommen in unserem ersten Hotel in Antequera geben wir dort zu später Stunde unser letztes Konzert in lockerer Atmosphäre. Solch ein Abend kommt nie wieder. Also heißt es sitzenbleiben, feiern, tanzen, trinken, plaudern. Die Bar-Mannschaft wittert das Geschäft ihres Lebens und beglückt uns mit seltenen Cocktails.
18.07.2019: Auch diese wunderschöne Reise geht zu Ende. Sehr zeitig müssen wir zum Frühstück und dann zum Bus, der etwas verspätet eintrifft. Das ist jedoch auf der 4-spurigen Autobahn kein Problem. Rechtzeitig erreichen wir den Flughafen. Wir verabschieden uns von Adam und Torsten Lenk, die nach Kanada weiterreisen und von unserer wunderbaren Reiseleiterin. Wir bekommen diesmal zwei eigene Gepäckabfertigungsschaltern. Die leuchtende Aufschrift „Sächsisches Sinfonieorchester“ freut uns sehr und wird natürlich abfotografiert. Auch die Sicherheitskontrollen sind unbeschwert. Gut gelandet in Frankfurt, wartet bereits der Bus auf uns und ich bin sehr froh, dass alle wieder gesund und mit neuen Eindrücken bei ihren Familien angekommen sind.
Nachtrag: Der Bass konnte später vollständig generalrepariert werden und ist so wieder voll im Einsatz.